So versammelten sie sich zum Auftakt eines Spektakels, das es in Lanzenfels bisher nicht gegeben hatte und vielleicht auch nie mehr geben würde. Kinder spielten in der Menge Verstecken und die Frauen des Dorfes tauschten Rezepte untereinander aus, tratschten über dies und das. Am Rande saßen die Männer bei Bier und debattierten darüber, wie man einen Baum zu schlagen hatte oder wie man das Holz in korrekter Art und Weise schichtet, damit es an Feuchtigkeit verlor.
Aus der Ferne erklang das Rufen des Gerichtsdieners, das die baldige Ankunft der Stadtwache ankündigte, mit der Hexe im Gepäck.
Eingepfercht wie ein Tier in einem Gefängnis auf Rädern wurde sie Schritt für Schritt näher an den Schauplatz geführt. Der Ort, der ihrem Leben ein jähes Ende bereiten sollte.
Ihr Blick wirkte abwesend und nachdenklich, aber tief in ihr kochten Wut und Hass. Sie verabscheute all jene, die ihr dieses Schicksal bescherten und auch jene, die sich an dem kommenden Schauspiel ergötzen wollten.
Der Holzkarren holperte die Straße entlang, vorbei an den Schaulustigen die ihre Gräfin mit Pfiffen und Beschimpfungen begrüßten. Aus der Menge flogen verfaulte Kohlköpfe und Eier heran, aber sie schenkte dem Geschehen nur wenig Beachtung.
Der Gerichtsdiener nahm seine Aufgabe voller Inbrunst wahr und läutete seine Glocke so heftig, dass man sie auch im entlegensten Winkel der Stadt noch vernehmen konnte. Nun endlich erschien der Scharfrichter, ihm voraus Pfarrer und Bürgermeister. Die Richter saßen am Rand der Hinrichtungsstelle an einem langen Tisch und genossen süßen Wein. Vor ihnen lag die ausgebreitete Schriftrolle, in der das harte Urteil zu finden war, das es nun zu vollstrecken galt.
Aus der tobenden Menge drangen weitere Beleidigungen und Beschimpfungen an das Ohr der Gräfin. All jene, die ihr vormals gedient und sie bewundert hatten, missachteten sie plötzlich. Hände wurden erhoben um auf sie zu zeigen, strafend auf sie zu zeigen.
Einige griffen in das Geschehen ein und versuchten, die Massen zu beruhigen, aber nur der lieben Ordnung Willen versteht sich. Man hätte zwar etwas aussprechen können gegenüber den Eminenzen, die neben dem Scheiterhaufen thronten, doch wer wollte sich schon das Maul verbrennen.
Voller Argwohn blitzten und glänzten die Augen des Pfarrers. War dies nicht eine Sünde? Sollte nicht gerade er die fehlgeleiteten Seelen dennoch lieben? An einem Solchen Tag achtet man nicht auf den Anderen oder stellte Fragen, dessen war er sich bewusst. Er hatte ja selbst für genügend Ablenkung gesorgt. Speis und Trank in rauhen Mengen war aufgetischt worden, um die Massen nicht zweifeln zu lassen, dass diese Verurteilung vielleicht Unrecht sein könnte.
Alles lief wie geplant und so stand er auf dem Podest mit erhobenen Haupt.
Der Wagen klapperte als er den Dorfplatz mit den Pflastersteinen passierte und die gusseisernen Ketten rasselten gespenstisch.
Die einst so schöne und bewundernswerte Gräfin war kaum mehr zu erkennen. Von der Qual des Verhörs geschunden saß sie zusammengekauert in dem für sie gefertigten Wagen und mied jeden Blickkontakt.
Nein, sie würde keine Angst zeigen, ihren Peinigern dieses Vergnügen nicht gönnen.
Trotz all ihrer Schmerzen und den schweren Ketten stieg sie erhobenen Kopfes aus. Langsam beschritt sie den den Weg und genoss den warmen Wind, der ihr Gesicht streichelte. Viel zu lange war sie eingesperrt im dunklen, modrigen Kerker gewesen. Nun wusste sie zumindest welche Tageszeit war. Unter ihren Füßen spürte sie die Pflastersteine, die sie hatte damals anliefern lassen um die Stadt zu verschönern. Sie liebte die Kühle, die von ihnen ausging, denn sie linderten den Schmerz.