Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.



 
StartseiteStartseite  SuchenSuchen  Neueste BilderNeueste Bilder  AnmeldenAnmelden  LoginLogin  

 

 Für Vegetarier

Nach unten 
AutorNachricht
CromCruach
Verfasser
Verfasser
CromCruach


Anzahl der Beiträge : 228
Alter : 53
Ort : Dietlas/Thüringen
Anmeldedatum : 18.11.07

Für Vegetarier Empty
BeitragThema: Für Vegetarier   Für Vegetarier EmptyDo Jan 03, 2008 2:22 pm

Oh, hallo. Sind Sie Vegetarier? Ja? Warum?
Nein, nein, kommen Sie mir bitte nicht mit diesen abgedroschenen Argumenten von wegen “in gebratene Leichenteile hineinbeißen” oder “gesünderes Leben” oder “moralische Vorbehalte”. Sie zählen doch sicherlich zu der Sorte Vegetarier, die uns Fleischfressern ans Leder wollen, uns überzeugen möchten, daß wir schlecht sind, daß wir uns selbst und die Umwelt zerstören. Sie versuchen doch nur, uns mit einer Bestimmtheit zu bekehren, die man allein Geistlichen gegenüber Heiden zutraut. Auch wir sollen mehr Verantwortung gegenüber unseren Mitlebewesen zeigen.
Schön, Sie ernähren sich also von Gemüse und Obst, von Pflanzen und dergleichen mehr. Bleiben Sie dabei. Halten Sie bitte an Ihren Überzeugungen fest, aber seien Sie uns gegenüber auch tolerant.
Das geht nicht, sagen Sie? Nun, dann muß ich Ihnen etwas über Ihre Gaumenfreuden erzählen. Seien Sie bereit:

Tief unter der Erde beginnt das Leben. Junger Samen wächst wohl behütet in der feuchten und wärmenden Dunkelheit heran, die ihn umschließt, ihm Schutz und vielleicht sogar eine Art besonderer Liebe gewährt.
Gleich einem Kind, das seine Mutter über alles in der Welt liebt, streckt er seine Arme aus, läßt sie immer länger werden. Er bettet sich in den Schoß der Erde, die ihn wonnig in den Schlaf wiegt, wenn es Nacht wird und die ihn sacht am Morgen wieder weckt.
Die lebende Pflanze wird älter, möchte etwas von der äußeren Umgebung mitbekommen, das Licht sehen. Also hält sie sich an der Mutter fest, schiebt den Kopf zaghaft und ängstlich durch das Erdreich nach oben, bis die Kruste der Mutter Leib durchstößt und von der Sonne empfangen wird. Der Wind spendet dem jungen Pflänzlein Kühle, Regen und Erde nähren es. Kurz: die kleine Pflanze ist rundherum zufrieden. Sie gedeiht, wird zu einem prachtvollen Gemüse und sieht alle ihre Verwandten und Freunde.
Dort, der Salat. Weiter hinten die Kartoffel- und Radieschensiedlung. Am anderen Ende der Ebene, die seltsamer Weise von einem hohen Drahtzaun umgeben wird, Familie Rettich. Ihren eigenen Namen kennt die Kleine wohl nicht, aber um sie herum gibt es Schwestern, die so aussehen wie sie selbst und die werden Karotten genannt. Also kommt sie zu dem Schluß, daß auch sie eine Rübe ist.
Zwar signalisiert der Zaun Gefangenschaft, doch davon läßt sie sich die Freude am Leben nicht verderben. Immerhin wäre sie ohnehin unfähig zu laufen. Mit sich und der Welt zufrieden bleibt die Rübe in ihrer Mutter verwurzelt und ihr oberer Teil genießt Sonne, Wind, Regen und nicht zuletzt die Gesellschaft ihrer zahlreich vertretenen Artgenossen.
Dann kommt der Tag, den die älteren Gemüse fürchten, weil man sie vergessen hatte und einem natürlichen Tode überließ - worüber diese sich natürlich nicht beklagen, wohl aber über die bekannten Qualen der Auserwählten.
In der Blüte ihres Lebens erfährt die Rübe, was es heißt, ein Gemüse zu sein. Sie ist nun erwachsen, jung und wunderschön. Ein Zweibeiner kommt heran - vermutlich der Gefängniswärter, den sie ab und an schon gesehen, aber nie wirklich beachtet hatte. Immerhin versorgte er sie und ihre Familie mit Wasser, wenn es nicht regnete. Eigentlich kann Rübe nichts Schlechtes über ihn sagen, aber was er bei sich trägt, sieht nicht gerade einladend aus.
Schreckliche Folterinstrumente blitzen in der Morgensonne auf und sie bemerkt die beklemmende Furcht ihrer Nachbarn.
Was hat er vor?
Auf den Knien beginnt der Zweibeiner ihre Schwestern mit roher Gewalt aus dem Schoß der Mutter zu reißen. Sie schreien, doch Säugetiere können die Sprache der Pflanzen nicht verstehen.
Unbarmherzig zupft er eine Rübe nach der anderen aus dem Boden, wirft sie in ein hohles Gefäß und scheint sich nichts dabei zu denken. Weiß er denn nicht, welche Schmerzen eine solch rauhe Behandlung bedeutet? Warum hegt und pflegt er uns überhaupt, fragt sich die ängstliche Rübe.
Ein kleinerer Zweibeiner taucht auf. In seiner Hand etwas, das Messer genannt wird. Mutter Erde hatte der Rübe davon erzählt, denn sie kannte alle Geheimnisse, wußte über alles, was sich auf und unter ihr abspielte, Bescheid. Sie sagte, es müsse so sein, denn sie hatte es so bestimmt.
Der Mensch - so wurden die Zweibeiner genannt - war das am höchsten entwickelte Tier und ernährte sich von fast allen anderen Lebewesen, nur seine eigene Art fraß er selten und wenn, so geschah dies aus reiner Not oder weil sich seine Entwicklung in den weiten der unbestimmbaren äußeren Einflüsse verloren hatte.
Nun ist auch unsere junge Rübe an der Reihe. Sie schreit, klammert sich in Panik an ihrer Mutter fest, die sie ungern hergibt, aber dennoch ihre eigens geschaffenen Gesetze befolgen muß.
Ein grauenvoller Schmerz durchfährt ihren Körper, als einige kleinere Ärmchen abgerissen werden, nur um im Leib der Mutter zu verdorren. Ihr wohlgeformter Körper verläßt unter Zwang die schützende Wärme und auf dem Weg zum Endlager - Eimer hießen diese kleinen Dinger und wer dort landete, war des Todes - sieht sie, wie der kleine Mensch Bruder Salat mit einem schnellen Schnitt der scharfen Klinge von seinen Wurzeln trennt. Sein durchsichtiges Blut tropft auf den Boden und auch er wird in ein spezielles Lager geschafft.
Zusammen mit ihren Schwestern, den anderen Mohrrüben, liegt Rübe nun in dem Eimer und wartet wimmernd auf den Abtransport. Wo würde man sie hinbringen und was geschah dann? Hatte der Schmerz jemals ein Ende.
Nach einer halben Ewigkeit hebt der große Zweibeiner das Transportgefäß hoch und es geht los, einer ungewissen Zukunft entgegen.
Etwas später findet sie sich auf einem Holzbrett wieder und sie sieht einen anderen großen Zweibeiner, der sich ihr mit dieser schrecklichen Messerwaffe nähert.
Bei lebendigem Leib wird ihr das Haupt abgeschnitten, die Haut vom Körper geschält, so daß auch ihr Blut die Hände des Menschen bedeckt.
Sie entdeckt Bruder Salat, den man in der Mitte spaltet und weint jämmerlich. Sein Herz wird auf der Stelle verzehrt. Doch das ist noch längst nicht genug. Der kleine Zweibeiner nimmt eine ihrer Schwestern in die Hand, beißt ihr unter lautem Krachen den Unterleib durch und ißt ihn.
Einige ihrer Artgenossen werden grausam zerstückelt, ihre blutenden Einzelteile lebendig in einen dampfenden Topf geworfen. Sie hat das fragwürdige Glück, in voller Größe den Topf von innen zu sehen.
Zusammen mit ihren Artgenossen schwimmt sie in kochendem Wasser. Ihr Körper wird weich. Unter lautem Geschrei verläßt schließlich das Leben ihren geschundenen Körper.
Zum Glück bekommt sie nicht mehr mit, was nach ihrem Tode geschieht. Sie wird gemeinsam mit zerquetschten Kartoffeln, verkrüppelter Petersilie und lebendigem Salat gefressen.
Ihr nun zart gekochter Leib wird mit grausamen Folterwerkzeugen zerdrückt, das tote Fleisch vermischt sich mit dem Brei aus ermordeten Kartoffeln und ab geht es in den Schlund der bestialischen Zweibeiner.

Nun, wie hat Ihnen die kleine Geschichte gefallen?
Oh, ich klage Sie gewiß nicht ob Ihrer Ernährung an, aber vergessen Sie bitte nicht: lieber Vegetarier, auch Sie töten Lebewesen, essen Sie manchmal sogar, wenn sie noch lebendig sind und denken sich nichts dabei.
Das ist eben der Lauf unserer Welt.
Nach oben Nach unten
http://sven-spaeter.de.tl/
 
Für Vegetarier
Nach oben 
Seite 1 von 1

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
 :: Geschichten, Gedichte und Philosophisches :: Kammer des Wortes-
Gehe zu: