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 Ein Einzelfall (Teil 4)

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CromCruach
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BeitragThema: Ein Einzelfall (Teil 4)   Ein Einzelfall (Teil 4) EmptyDo Jan 03, 2008 2:09 pm

Wie angewurzelt stand sie da und rief: „Hey, Batman und Robin, euer Joker will nicht in die Stadt. Er ist dort hinten verschwunden, in dieser alten Lagerhalle.“
Noch ein paar Fehlschläge und Peinlichkeiten mehr und ein anderer Job muss her, dachte ich. Von Liechen musste meine Gedankengänge teilen, denn er trabte bereits mit rotem Kopf und übertrieben hoch gerecktem Kinn in Richtung Halle. Übrigens eines dieser typischen Fabrikgebäude, die einsam und verlassen in vielen Gegenden vorzufinden waren, da man keine Fabrik drum herum gebaut hatte. Wie viele junge Firmen überschätzten sich maßlos und trieben sich bereits mit dem Bau überdimensionaler Lagerhallen selbst in den Ruin?
Kaum empfing uns die gähnende Toröffnung mit dem schwärzesten Schwarz, das man sich vorstellen konnte, wurde auch schon ein Gepolter im Innern des Baus laut. Hektisch suchten die Augen des Herzogs in der Finsternis nach der Ursache des Lärms. Doch er konnte nur den Kopf schütteln: „Da drinnen stehen Bretter, Kisten und ein Haufen anderes Zeug. Er kann sich überall versteckt haben.“
„Theoretisch könnten wir das gesamte Ding niederbrennen und ihn dann aus den Trümmern fischen.“
Von Liechen bedachte mich mit einem mahnenden Blick und meinte: „Claudius, ich bitte Sie. Wir sind doch keine Amerikaner. Gehen Sie hinein und suchen Sie ihn. Ich werde hierbleiben und die Tür bewachen.“
Ja, das wäre ganz bestimmt mein zweiter Vorschlag gewesen.
Mit äußerster Vorsicht setzte ich einen Fuß vor den anderen, schob mich langsam in das Dunkel. Immer wieder veranlassten mich die albernsten Geräusche dazu, die übliche Kampfposition einzunehmen, aber nichts geschah. Gar nichts. Keine Spur von der Vampirin, in deren Innern sich Muno-Ak verkrochen hatte.
Ein Klacken!
Hektisch blickte ich in sämtliche Richtungen, während eine alte Neonröhre an der Decke ächzend ihrer Bestimmung folgte. Von einer Sekunde zur anderen wurde die Halle in trübes Licht getaucht. Spärlich, doch gut genug um etwas zu sehen, das ich gar nicht sehen wollte. Nicht so.
Nur wenige Meter von mir entfernt stand Marie und hielt sich einen hölzernen Pflock gegen die Brust. Unmöglich zu erkennen, ob es sich nun um ein Tisch- oder ein Stuhlbein handelte. Nun, es war auch nicht wichtig. Viel wichtiger war die Gefahr, in der die Vampirin schwebte.
Ihr Grinsen verriet mir, dass der Dämon ganz genau um seine Machtposition wusste. Er hatte den Jäger in seine Schranken verwiesen. Ein Angriff bedeutete den sicheren Zerfall der Person, die ich eigentlich retten sollte. Mir blieb nichts anderes übrig, als beschwichtigend meine Arme auszubreiten.
„Ha“, rief Muno-Ak triumphierend. „Jetzt hab ich dich am Arsch, was? Nur ein Schritt und ich verwandele diesen Körper in Staub. Solange die Sonne nicht aufgeht, kann mir nichts passieren. Und das weißt du auch, Dämonenjäger.“
In meinem Kopf liefen die kleinen Rädchen heiß. Irgendwie musste ich seiner Strategie begegnen. Aber wie? In diesem Augenblick wurde mir eine Sache mehr als deutlich bewusst. Solange ich rohe Gewalt und einige kleinere Kunstgriffe psychologischer Natur anwenden konnte, stand ich auf der sicheren Seite. Aber nun verlangte die Situation mehr Geistesgegenwart von mir als ... Nun gut, als tatsächlich vorhanden war.
Nie und und nimmer würde ich mich als dummen Menschen bezeichnen. Trotzdem war ich kein guter Stratege. Kurz gesagt: Diese Wendung überforderte mich schlicht.
Doch entgegen jeglicher Logik machte sich eine brauchbare Idee auf den Weg durch meine Gehirnwindungen und zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.
Ja, dachte ich, so kann es gehen. So musste es funktionieren.
„Tu nichts, was du später bereuen würdest“, sagte ich zu dem Dämonen. „Ich bin gleich wieder da.“
Dann zog ich mich zum Eingang zurück, wo ich einen Herzog antraf, dessen Antlitz noch bleicher wirkte, als es zuvor schon gewesen war. Er sah, in welcher Gefahr seine Geliebte schwebte.
Furcht in den Augen eines Blutsaugers zu sehen, hatte etwas Befremdliches. Waren sie es doch, die Angst und Schrecken brachten.
Ein weiteres Mal in dieser Nacht flüsterte ich Herzog von Liechen etwas zu. „Und Sie glauben, das könnte klappen?“, fragte er mit einer hochgezogenen Braue.
„Ich weiß es nicht, aber wir müssen es versuchen.“
„Also gut“, entgegnete der Vampir und verschwand für einige Minuten. Währenddessen begab ich mich wieder zu Muno-Ak, um ihn von abzulenken. Sollte er die Nerven verlieren ...
Wir bekriegten uns verbal mit Anschuldigungen und Schimpfworten. Drohten, triumphierten theatralisch und verhielten uns ähnlich halbstarker Schläger, die aufeinander losgehen wollten, es aber nicht wagten.
Endlich hörte ich Schritte hinter mir und wandte mich um. Es hatte den Anschein, als nehme mein Plan Gestalt an. Herzog von Liechen kam auf uns zu, dicht an seiner Seite Munos Schwiegermutter. Beide hielten sich im Arm und spielten das perfekte Paar.
Der Herzog blieb neben mir stehen und sagte: „Lassen Sie diesen Dämon tun, was er will. Soll er Marie doch umbringen. Sie langweilt mich bereits seit längerer Zeit. Und diese Schönheit aus der Hölle dürfte wohl einen angemessenen Ersatz darstellen.“
Nach den letzten Worten fiel der Herzog über die Dämonin her und küsste sie voller Inbrunst. Sie stöhnte Lustvoll unter seinen Liebkosungen, gab sich ihm vollends hin.
Ein Poltern sagte mir, dass der Pflock auf dem Steinboden gelandet war. Ich wusste es, noch bevor ich mich wieder zu Maries Körper wandte, in dem der Dämon nun einen ganz besonderen Kampf auszutragen hatte.
Etwas veränderte sich in ihren Augen. Sie wechselten von dämonenrot zu vampirrot. Ein Unterschied, den nur die besten Jäger erkennen können, nebenbei bemerkt.
Ihr Körper bäumte sich auf, die zarten Hände ballten sich zu Fäusten und mit einer eindeutig vampirischen Stimme ließ sie uns alle an ihrer grenzenlosen Enttäuschung teilhaben: „Gustl, was tust du da? Ich dachte, du liebst mich wirklich. Und jetzt lässt du dich mit dieser stinkenden Höllenbrut ein? Vor meinen Augen? Nennst du das wahre Liebe?“
„Marie. Meine geliebte Marie. Ach, lass mich dir erklären ...“
Herzog von Liechen machte einen Schritt nach vorne um seine Frau in die Arme schließen zu können, aber ich hielt ihn sanft zurück. Mein leichtes Kopfschütteln sagte ihm, dass es noch nicht an der Zeit war. Der Dämon mochte zusammengequetscht in einem Winkel ihres Körpers stecken, aber er war längst nicht gebannt. Nur wenn Marie ihren eigenen Geist weiterhin unter Kontrolle behielt, sollte Muno-Ak aus ihrem Leib gedrängt werden. Zumindest theoretisch.
Maries Gesichtshaut dehnte sich bedrohlich weit und schien beinahe zu reißen. Für kurze Zeit glich sie einem entstellten Monster aus einem 70er-Jahre-Horrorstreifen - ekelhaft, aber irgendwie nicht echt. Dann erklang dieses schmatzende Geräusch, das ich schon unzählige Male gehört hatte. Jedesmal, wenn ein Dämon seinen Wirtskörper verließ, hörte es sich an, als werfe jemand ein nasses Filetstück auf den Boden und latsche langsam darauf darüber.
Der Spuk war vorbei. Hustend stand Muno-Ak in all seiner Hässlichkeit neben der Vampir-Frau, die nicht so recht wusste, was eigentlich geschehen war.
„Gustl?“, meinte ich hämisch grinsend an den Herzog gewandt.
Er bedachte mich mit einer äußerst strengen Miene: „Kein Wort, Claudius! Ich will nichts hören!“
„Du!“ Muno-Ak richtete seinen Zeigefinger direkt auf mich, rümpfte die borstige Nase und grunzte bösartig. „Ich ... ich werde dich zertreten. Ich mach dich fertig, sowas von fertig. Komm her und zeig, was du kannst. Mieser, kleiner Dämonenjäger!“
Doch zum alles entscheidenden Kampf kam es nicht. Bevor der Dämon in meine Nähe kam, griff seine Schwiegermutter ein. Ihr rascher Tritt traf Muno an einer empfindlichen, äußerst empfindlichen Stelle. Mit Daumen und Zeigefinger packte sie ihn am rechten Spitzohr und gab ihm als Dreingabe einige Kopfnüsse.
„Was ist?“, fragte sie mich etwas genervt. „Lässt du mich nun frei? Ich muss mich hier um diesen unnützen Ballast kümmern.“
Mit einem kurzen Spruch entband ich sie von ihren Fesseln. Obgleich den Schergen der Hölle nicht zu trauen war, wusste ich, dass von ihr nun keine Gefahr ausging. Sie hatte ja Muno-Ak, an dem sie ihren ständigen Zorn auslassen konnte - und ich war überglücklich, nicht in dessen Haut zu stecken.
Abrupt versank sie im Erdboden, den wimmernden Muno-Ak im Schlepptau. Kein Rauch, kein bodenloses Loch, kein Höllentor. Etwas unspektakulär, zugegeben, aber so ist es nun einmal. Wir befinden uns ja schließlich in der Wirklichkeit, nicht in einem Gruselroman.
Von Liechen und Marie hatten den Rest von Muno-Aks Höllenfahrt ignoriert. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich innig - und für meinen Geschmack etwas zu freizügig - zu küssen.
Etwa fünf zähe Minuten später wurde man sich meiner wieder bewusst und der Herzog klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter: „Danke für Ihre Hilfe. Sie haben mich sehr, sehr glücklich gemacht.“
Er kramte in der Innentasche seines Jacketts und förderte ein Scheckbuch zutage. Die Summe auf dem kleinen Stück Papier übertraf mein übliches Honorar um das Zehnfache.
„Ich hoffe jedoch, dass wir uns nie wieder begegnen müssen, mein guter Claudius. Marie und ich werden gleich morgen Nacht die Stadt verlassen und uns eine neue Bleibe suchen.“
Er grinste mich an: „Es wäre nicht klug in der Nachbarschaft eines derart begabten Dämonenjägers zu leben. Vor allem dann nicht, wenn dieser unsere Zuflucht und unsere Gesichter kennt.“
Damit hatte der Herzog den Nagel auf den Kopf getroffen. Es widersprach schon allein dem gesunden Menschenverstand Vampire weiter ihr Unwesen treiben zu lassen. Ich wäre gezwungen, ihn und die Frau, die ich aus den Klauen eines Dämons gerettet hatte zu vernichten. Für kurze Zeit konnte ich seine Anwesenheit in meinem Jagdrevier vergessen. Immerhin hatte er mir mehr gezahlt als jeder andere Kunde - Regierungen und Geheimbünde eingeschlossen.
Davon abgesehen waren mir diese beiden Blutsauger irgendwie sympathisch. Sie verfügte über diese seltsame Art dunkler Romantik, die tief aus ihrem Herzen entsprang. Eine Sanftmut, die auf der Welt nur mehr selten zu finden war. Ihre Opfer mussten mit Sicherheit nicht lange leiden. Er gehörte zu den Männern, die man gerne als Kumpel bezeichnete, als gute Freunde. Eine Sache unter echten Kerlen, die sich ausgezeichnet verstanden. Mit ihm könnte man tolle Pokerabende verbringen.
Ich sah mich schon an einem runden Tisch sitzen, über dies und jenes mit von Liechen quatschen, während wir die Nacht durchzechten. Ein frisch gezapftes Bier für mich, ein Glas mit frisch gezapften Blut aus einem meiner Konkurrenten für ihn und die Wochenenden wären gerettet. Aber das durfte nicht sein. Er war mein Feind, eine Plage für die Menschheit.
Für uns Dämonenjäger stellten Vampire eine relativ sichere Einnahmequelle dar. Auch wenn die Geschäfte äußerst schlecht liefen, ein Blutsauger tauchte immer wieder auf, bettelte geradezu darum, gepfählt zu werden. So sicher wie Ratten und Schaben niemals von Kammerjägern gänzlich ausgerottet würden, so kamen auch Vampire ständig aus irgendwelchen Gräbern gekrochen. Wie gesagt: das reinste Ungeziefer.
Ich nahm mir vor, in zwei Tagen noch einmal die Villa aufzusuchen. Sollte er sich dann noch immer dort aufhalten, würde ich meinen Job erledigen müssen.
Ohne Skrupel, das Ende der Schonzeit.
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