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 Blutrausch

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CromCruach
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Blutrausch Empty
BeitragThema: Blutrausch   Blutrausch EmptyDo Jan 03, 2008 2:15 pm

“Du verdammte Schlampe! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Wie kannst du es wagen, mich zu betrügen?”
“Edward, du verstehst nicht, ich wollte nur...”
“Halt’s Maul, du Miststück. Ich werde dir deine beschissene Seele aus dem Leib prügeln. Hier, du verfluchte Hure.”
Angelique schrie auf, als sie das Messer in Ewards Hand entdeckte. Flucht, schrie ihr ein Instinkt zu, über den jedes denkende Lebewesen verfügt. Obwohl ihr Verstand zu Höchstleistungen im Sprinten riet, konnte sie sich nicht von der Stelle bewegen. Ihre Füße mußten mit dem glänzenden Holzfußboden verwachsen sein. Sie hob die Arme vor ihr Gesicht und hoffte verzweifelt, daß ihr ehemals geliebter Ehemann diese Geste der Kapitulation verstand.
Doch Edward verstand nicht. Er stach zu, durchbohrte ihren Unterarm und betrachtete fasziniert und ein wenig erstaunt das Blut, das zwischen Klinge und Haut hervorquoll. Ja, genau das hatte er gebraucht. Noch vor ein paar Stunden wäre ein solcher Ausbruch von Gewalt und das darauf folgende Gefühl der Genugtuung für den konservativen Versicherungsvertreter undenkbar gewesen. Er hatte es immer gehaßt, Blut zu sehen. Selbst ein kleiner Schnitt in den Finger hätte ihm bereits übel auf den Magen geschlagen. Jetzt war dieser Ekel verschwunden. Ja, ihn verlangte es geradezu danach, den roten Saft zu beobachten, wie er langsam und etwas zäh aus Wunden quoll.
Ihre Schmerzen, ihre Angst stillten einen brennenden Durst in seinem Innern, von dem er bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Als Edward aus dem Arm seiner Frau lösen wollte, fühlte er einen Widerstand. Ihr Geschrei schien laut genug, die gesamte Nachbarschaft auf den Plan zu rufen.
Die Klinge hatte sich in Angeliques Knochen gebohrt und steckte dort fest. So sehr er es auch versuchte, so sehr er zog, rüttelte und bohrte, das Messer fühlte sich pudelwohl in dem warmen Fleisch. Aus dem anfänglichen Versuch, Angelique von ihrer Pein zu erlösen wurde rasch das sadistische Verlangen nach mehr. Mehr Schmerz, mehr Blut, mehr Macht. Von wegen, nur Gott würde über Leben und Tod entscheiden. Jetzt, in diesem Augenblick entschied er, Edward, darüber, wie lange seine Angetraute noch atmen würde und wie viele Qualen sie noch zu erleiden hatte. Nun war er Gott, und er ließ seiner Abartigkeit freien Lauf. Dämonisch grinsend umfaßte er den schwarzen Plastikgriff fester, um das Messer hin und her zu drehen.
Der Gedanke, daß er im Grunde nicht einen einzigen Beweis für seine Anschuldigung hatte, kam ihm erst gar nicht. Er folgte einer irrationalen Eingebung, einer fixen Idee, die sich seines Geistes bemächtigt und ihn gegenüber der Realität blind gemacht hatte. Reine Blutgier trieb ihn an, machte ihn zu einem gefühllosen Monster.
Kaum war Angelique in die Knie gegangen, da verließ ihn die eigenartige Raserei, die überhaupt nicht zu seinem Charakter paßte. Das Verlangen, seine Frau leiden zu sehen, war so rasch verschwunden, wie es gekommen war und seine fest um den Messergriff geklammerte Faust lockerte sich. Er war sprachlos, konnte sich nicht mehr bewegen. Was in Gottes Namen hatte ihn dazu getrieben, seine Frau, seine kleine, geliebte, zierliche Frau auf eine so abscheuliche Weise anzugreifen und zu verletzen?
Auf dem Boden kauernd schluchzte Angelique und preßte die Hand ihres unverletzten Armes auf die Wunde. Ein simpler, wenn auch nutzloser Versuch, die Blutung zu stoppen. Wahre Bäche aus Tränen quollen aus ihren Augen, liefen die gebräunten Wangen hinab. Sie hatte Schmerzen - und Angst. Fürchterliche Angst vor dem Mann, der vor ihr stand und gar nicht mehr dem Eddi glich, den sie geheiratet hatte. Sollte er etwa auf seine alten Tage Drogen genommen haben? Dann diese Beschimpfungen. Sie betrog ihn nicht, dazu liebte sie Edward zu sehr. Jemand aus der Nachbarschaft mußte ihm eine absurde Geschichte erzählt haben.
Die Gegend wimmelte von Leuten, die Mexikaner nicht ausstehen konnten. Patriotische Landesverteidiger, fahnentreue US-Amerikaner, ohne Sinn für andere Völker oder Kulturen. Für Angelique waren hier alle so fremd, weil sie als Fremde nie dazugehören durfte. Sie sahen die junge Frau mit haßerfüllten Augen an, wenn sie einkaufen ging. Man beschimpfte sie grundlos oder strafte sie einfach mit Mißachtung. Ältere Bürger spuckten ihr vor die Füße, drohten ihr mit Gehstöcken.
Alle hatten auf Edward eingeredet. Jetzt mochten sie ihr Ziel endgültig erreicht und ihn umgestimmt haben. Und nun war auch er gegen Angelique, hatte sie verletzt und würde die dreckige Mexikanerin töten. Soweit durfte es nicht kommen. Angelique mußte um ihr Leben kämpfen, da Reden offensichtlich keinen Sinn mehr machte. Wenn die ach so friedlichen Nachbarn aus ihm einen fremdenfeindlichen Mörder gemacht hatten, war seine Liebe zu ihr wohl lediglich eine Masche gewesen, um sie ins Bett zu kriegen. Ihre Mutter hatte ständig davor gewarnt, die Vereinigten Staaten als gelobtes Land zu betrachten. Sie hatte ihrer Tochter geraten, sich einen ordentlichen Mann aus der Gegend zu nehmen und mit einem bescheidenen Leben zufrieden zu sein. Wenn die alte Frau nun erfahren mußte, daß man ihre Tochter wegen der Hautfarbe getötet hätte, würde sie es nicht verkraften und Angelique Seele würde niemals Ruhe finden. Edward hatte versucht, sie zu töten. Es war doch ihr gutes Recht, die eigene irdische Existenz zu schützen. Bei den Behörden würde man ihr keinen Glauben schenken. Was war sie denn schon? Nur eine dreckige Mexikanerin. In blinder Wut packte sie das Messer, mit dem er ihren Lebensfaden hatte durchtrennen wollen und stieß es mit voller Wucht nach oben, ihrem Mann genau zwischen die Beine.
Edward schrie wie am Spieß. Die junge Frau malte sich aus, wie am Küchenfenster hinter ihr Gesichter auftauchten. Finstere Augen gafften, beobachteten den kaltblütigen Mord an einem guten US-Bürger, der sich in seiner Güte mit einer verlausten Hure aus Mexiko eingelassen hatte und nun teuer dafür bezahlen mußte. Niemand würde auch nur annehmen, daß nicht sie, sondern Edward diese Eskalation hervorgerufen hatte. Wenn er in dieser Lautstärke weiter plärrte, würde bald die Polizei erscheinen und Angelique ohne Vorwarnung erschießen. So ersparte man sich das Theater eines kostspieligen Schauprozesses. Mit Mexikanern machte man kurzen Prozeß. Es gab ja immerhin genug von ihnen.
Rasend stach sie weiter auf ihn ein. Ein wirklich gutes Messer, es durchlöcherte seine Brust mit Leichtigkeit. Letzten Sonntag hatte sie damit noch einen Braten zerlegt und sich darüber gefreut, welche Qualität viele amerikanische Küchenutensilien aufzuweisen hatten.
Als Edward keinen Mucks mehr von sich gab, beendete sie das Schlachten und richtete sich wieder auf. Angelique starrte die blutende Leiche an. Er war tot, wirklich tot. Seine Augen standen weit offen und seinen Lippen entrann nicht einmal mehr der leiseste Lufthauch.
Bevor Angelique darüber nachdenken konnte, was sie mit Eddi nun anstellen sollte, hörte sie die Scheibe des Küchenfensters bersten. Gefährlich scharfe Glasstücke regneten auf die Frau herab und verteilten sich um sie gleich einem grotesken Mosaik. Die in Edwards Blut schwimmenden Splitter funkelten besonders schön. Kleine, flache Rubine zu Füßen einer wunderschönen Frau. Malerisch, einfach malerisch. Angelique drehte den Kopf in Richtung des Fensters und beobachtete nicht uninteressiert den Briefträger, der sich ächzend durch die Öffnung quälte. Mit Mühe hielt Angelique ein lautes Auflachen zurück, denn so wie der etwas untersetzte Mann ungelenk in die Wohnung kletterte, hatte sie bisher nur Schauspieler in albernen Komödien erlebt. Slapstick live. Und alles frei Haus, ohne Eintritt, Gratis. Eine Sondervorstellung für die Frau, die auf ihren Mann massakriert hatte.
“Du dreckige Mexikanerin”, brüllte er und schwang eine Axt, die Edward wohl draußen vorm Haus liegen gelassen hatte. War die Vergesslichkeit ihres dahingeschiedenen Mannes nun Zufall oder Schicksal? Gab es vielleicht einen göttlichen Plan, der ihm am Wochenende eingeredet hatte, den Baum noch nicht zu fällen, dafür aber sein Werkzeug zu vergessen? Wieso hatte niemand das Teil gestohlen? Nun, es war einerlei. Mit dieser Axt sollte kein Holz mehr gehackt werden, sie war nun ein Tötungsinstrument in den Händen eines selbst ernannten Henkers. .
Mit einem ungestümen Berserkerschrei stürmte der dicke Postbote auf Angelique zu, die abermals beide Arme in die Höhe riß, um ihr Gesicht zu verstecken. Diese Abwehrstrategie hatte bereits bei Eddis Angriff nichts genützt und eine schwere Axt würde selbst ihr Knochen nicht mehr aufhalten können. Plötzlich war alles bedeutungslos. Die Wunde, ihre Angst, ihre Wut, der tote Edward. Sie konnte nichts weiter tun, als ihre Stimmbänder an die Grenze der Belastung zu führen. Zwar wurden ihre Arme dieses Mal verschont, aber sie spürte die geschliffene Schneide in ihren Knöchel dringen. Präzise wurde ihr Fuß vom Unterschenkel getrennt. Eltern warnten ihre Kinder, nicht mit solchen Gerätschaften zu spielen, und Angelique konnte nicht behaupten, dass diese Sorge unbegründet war. Wurden Äxte nicht ordnungsgemäß verwendet, kam es tatsächlich zu schrecklichen Folgen.
Gerne hätte sie noch lauter aufgeschrien, aber der Schmerz raubte ihr den Atem. Sie mußte sich auch nicht weiter um ihr verstümmeltes Bein sorgen, da nur einige Sekunden später der nächste Hieb folgte. Unter lautem Krachen wurde ihr der Schädel zur Hälfte gespalten. Das schwarze Haar verklebt von Blut und Hirnmasse, die Augen beinahe aus den Höhlen getreten, die roten Lippen leicht geöffnet. Ihre Schönheit schwand mit dem Leben. Angelique war nun sicher vor der Polizei und Leuten, die Menschen allein nach ihrer Hautfarbe und Herkunft beurteilten.
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