Es war einmal eine junge Maid. Die war so liebreizend, dass sie in Bälde ganze Heerscharen von Verehrern um sich versammelt hatte. Einer von ihnen, sein Name lautete Ismael Hämisch Sylberstern, ist dann auch derartig dreist gewesen, dass er noch am selben Abend, an dem sich beide zum ersten Mal gesehen, Dinge mit ihr tun wollte, wie sie das Weib mit dem Manne, wenn überhaupt, ausschließlich im heiligen Stand der Ehe bei tiefster Nacht im stillen Kämmerlein hinter vorgezogenen Gardinen in nur der einen Stellung zu tun pflegt, wie sie von braven Missionaren wärmstens empfohlen worden war. Und natürlich einzig zu dem einen, alleinigen Zwecke, die Frucht des Leibes zu empfangen. Und nicht etwa um des reinen Vergnügens willen. Schließlich ist der Mensch kein Tier und soll darum
auch seine animalischen Anwandlungen, falls er denn welche hätte,
im Zaume halten.
Und weil es sich bei dem Mägdelein um ein besonders anständiges und wohlerzogenes Exemplar ihrer Gattung handelte, wehrte sie sich selbstredend gegen diese unverschämten Annäherungen des Jünglings und war sich auch nicht zu schade, ihm eine gehörige Backpfeife zu verabreichen, als er seine flinken Finger einfach nicht unter ihrem Rocke wieder herausnehmen wollte.
Aus diesem Grunde war Ismael Hämisch Sylberstern, der heißblütige Verehrer, selbstredend zur Genüge verstimmt. Sein Blut kochte, es brodelte ihm durch die Adern. Er bezeichnete in seinem Frust und unerfülltem Verlangen die junge Dame, die ihm gegenüber so vehement ihre Unschuld verteidigt hatte, als Hexe. Und da diese Mär sich im tiefsten und finstersten Mittelalter zugetragen hat, wurde die so Beschuldigte tags darauf von Abgesandten des Bischofs festgenommen. Die Welt war in herbstliches Grau getaucht. Und der Himmel begann zu weinen. Nebelumflort die skeletternen Bäume, an denen die Hexe, die doch wahrlich keine war, vorbei gezerrt wurde. An ihren Haaren wurde sie geschleift, von groben Soldaten, hinauf, zur Burg. Dort haben sie die bemitleidenswerte Maid in den Kerker
geworfen. Tief hinab, unzählige Klafter weit unter die Erde. Lebendig begraben war sie also dann im Gestein des Berges, auf dem die Burg thronte.
* * *
Der Bischof war ein großer Mann. Groß und fett. So unwahrscheinlich fett. Ein gemästetes Schwein. Das Mädchen, dass immer noch auf dem Boden lag, wohin sie die Abgesandten der Burg geworfen, blickte auf. Schwabbelnd und wabbelnd kam er näher, der heilige Mann. Der scheinheilige Mann. Näher heran an das unschuldige Kind. Die Augen starr. Stoßweise röchelte er
seinen Atem heraus. Die Lungen pfiffen ihm. Geifer troff und triefte
vom aufgedunsenen Wulst seiner Unterlippe.
Angeklagt der Hexerei. Das war sie. Beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Selbstredend war es für das junge, unaufgeklärte Mägdelein nicht leichtens, eine so garstige Anschuldigung zu entkräften. Vor dem Bischof versuchte sie es. Schwörte bei Gott, dem Herr und der Mutter Maria; schwörte verzweifelt bei Jesus Christus und dem Heiligen Geist, dass nichts, aber auch gar nichts Wahres an der infamen Anklage daran wäre. Dass sie niemals etwas Gottloses getan hätte. Jedoch konnte sie ihn so nicht von ihrer Unschuld überzeugen. Ein anderer Beweis müsste dafür erbracht werden.
„Wie ist dein Name, Kind?“ Mit heiserer Stimme wollte der Bischof dies von ihr wissen. [...] Er macht der jungen Maid ein Angebot. Die Kleine war ja in ihrer Unschuld und der unverdorbenen Jugend zu süß. Und es wäre ja auch schade gewesen, ihr unschuldiges Blut so sinnlos zu vergießen.
„Wisse“, begann er seine Ansprache, nachdem die Wachen sie alleine gelassen hatten. „Selbstredend ist mir wohl bewusst, dass du nicht mit dem Teufel im Bunde stehst.“ Tränenumflorten Blickes richtete sie sich auf. Hoffnung glomm mit einem Mal in ihren Augen.
„Und auch darum bin ich geneigt, euch freizusprechen, von der üblen Verleumdnung. Unter einer Bedingung ... "
Welche sollte das sein? Nah an ihr Gesicht schob sich sein fettes Antlitz. Nah an ihr Ohr. Die Haare, die ihm aus den Nüstern sprossen, strichen ihr über die Innenseite der Ohrmuschel, als er ihr mit heiserer Stimme sein
Verlangen zuraunte.
„Wenn ihr mir zu Diensten seid ...“ Anfangs wusste das junge Ding nicht, was er damit meinte. Konnte es nur erahnen. Doch das, was dann folgte, hätte sie sich noch nicht einmal in ihrer schlimmsten Nachtmahr ausgeträumt. Aus diesem Grunde, als sie am eigenen Leib erfahren sollte, was sein Wille war, wehrte sie sich. Lehnte das großzügige und ach so gütige Angebot ab.
„Nein!“, gellte sie. „Das will ich nicht. Lieber will ich sterben!“
„Das lässt sich einrichten!“, entgegnete der Bischof ächzend. Er wischte sich mit schwitzenden Händen den Geifer aus dem Gesicht. Bedeckte sich wieder züchtig. Und rief nach den Wachen.
* * *
Die wogenden Flammen des Feuers, in dem noch kurze Zeit zuvor Brandeisen bis zur Weißglut geschürt worden waren, warfen bizarre Schatten an die Wand, wo sie einen grotesken Tanz zur Schau boten.
So hing sie da. In rostigen Ketten. Schroff und rauh die steinerne
Wand. Angeklagt als Hexe.
Nunmehr zum zweiten Mal hatte sie ihre Unschuld verteidigt. Doch was war der Preis dafür? Sie hatte das Begehr des Bischofs abgelehnt. Ja, sie hatte das großzügige Angebot abgelehnt. Das Angebot der großen Güte. Und es anschließend auch bereut. Denn, dass sie lieber sterben wollen würde, das war ihre Meinung vor der Folter gewesen. Nun hätte sie ihm liebend gern seinen widerlichen, knotigen Schwanz gelutscht und ihm anschließend Einlaß in sich gewährt, um nicht die Nacht vor ihrer Hinrichtung in Schmerzen zu verbringen. So schlimm hätte es nicht sein können. Das dachte sie sich, als der Scheiterhaufen auf sie wartete. Er war schon aufgeschichtet. Und am nächsten Morgen, wenn der Hahn dreimal gekräht hat, sollte es geschehen ...