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 Paladin

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CromCruach
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BeitragThema: Paladin   Paladin EmptyMo Jun 15, 2009 5:59 pm

„Halt, du Hund! Zieh dein Schwert, und wir bringen es hinter uns!“
Jesir blieb stehen als er die Stimme in seinem Rücken hörte. Eigentlich hätten sämtliche Gegner tot sein müssen, aber einer war wohl doch noch übrig. Nun, das würde ihn nur ein müdes Lächeln und einige gut gezielte Hiebe kosten. Dann war endlich Schluss mit dieser Seuche, das Land war wieder gesäubert.
Mit metallenem Kreischen, das in Jesirs Ohren wie Musik klang, glitt seine Klinge aus der Scheide. Er drehte sich mit einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht um. Mehr Blutvergießen bedeutete schließlich einen zusätzlichen Ruhmespunkt. Doch sobald Jesir in das Antlitz seines letzten Feindes blickte, weiteten sich seine Augen. Auch das Grinsen verschwand und machte einer Grimasse puren Ekels Platz. Mit allem hatte er gerechnet, nicht aber mit etwas derart Abstoßendem. Sein Magen rebellierte aufs Heftigste. Fast hätte Jesir die gute Hammelkeule, die er am Morgen verspeist hatte, wieder von sich geben müssen. Doch der Krieger hielt dem Würgereiz stand.
Sein Vater hatte keinen Feigling großgezogen, der beim erstbesten Anblick des Grauens kneift. Also spuckte Jesir aus und nahm Kampfstellung ein. Der Gegner sollte den ersten Schritt machen.
Vor Jesir richtete sich ein hoch gewachsener Mann auf und ließ in der offenen Handfläche seiner linken Hand eine leuchtend blaue Kugel aus magischer Energie erscheinen. Rüstung und Schwert glänzten im schönsten Silber, waren derart gut poliert, dass man sich darin spiegeln konnte. Nicht ein Kratzer verunstaltete die Oberfläche, kein Schmutz, kein getrocknetes Blut. Aufgebläht vom leichten Sommerwind flatterte ein rubinfarbener Umhang um die Schultern des Kämpfers. Auf dem Schild, das er neben sich auf den Boden gelegt hatte, prangte ein weißes Doppelkreuz.
„Nun verlässt dich der Mut, du Mörder“, sagte der Paladin und reckte dabei sein breites Kinn nach vorne.
„Mein Name ist Sir Richard von den Sonnenhügeln, Paladin des Ordens der Heiligen Isabell, Schutzpatronin aller guten und gerechten Dinge, Göttin der Rechtschaffenen, Herrin über die Kunst der Heilenden Hand.“
Während der Paladin seine Rede hielt, bei der er beinahe jedes Wort voller Stolz und Ehrgefühl in die Welt donnerte, konnte Jesir seinen Blick nicht von dem fein säuberlich gestutzten Schnurrbart abwenden. Immer wieder wippten die gezwirbelten Enden fröhlich als winkten sie ihm zu. Wenn er nicht aufpasste, würde ihn dieser Verfechter der Ordnung einfach aufspießen.
Es hieß, ein Paladin sei schwer zu bezwingen, aber da es nur mehr wenige von ihnen gab, konnten sie ja nicht unbesiegbar sein. Wenn normale Fußtruppen in der Lage waren, eine Armee dieser grässlichen Gutmenschen zu vernichten, sollte es dem ersten Krieger des gehörnten Kaisers erst Recht möglich sein als Sieger aus dem bevorstehenden Duell hervorzugehen.
„Los, kommt zum Ende und kämpft. Ich habe heute noch etwas zu erledigen“, knurrte Jesir und zog dabei seine Lefzen hoch. Scharfe Reißzähne wurden sichtbar, die mühelos Fleisch und Knochen durchtrennen konnten. Sein Fell sträubte sich angesichts des unverfälschten Guten, dass sich ihm in den Weg stellte.
Schlimm an der Sache war vor allen Dingen, dass Paladine keine Furcht vor den Kreaturen des Chaos kannten. Jesir war es gewohnt, dass Menschen, Elfen und Zwerge weiche Knie bekamen, wenn sie ihm oder einem anderen Vertreter seiner Art gegenüberstanden. Die mutigsten Krieger all dieser Völker ängstigten sich vor den Wolfsmenschen. Ja, sogar in den eigenen Reihen gingen Orks und Oger ihren haarigen Mitstreitern lieber aus dem Weg. Wölfe waren streitlustig, rauften für ihr Leben gern und wenn es zu Streitigkeiten kam, wurden sie nicht selten erst mit dem Tod eines der Kontrahenten beigelegt.
Aus diesem Grund und auch wegen ihren Qualitäten als Jäger und Frontkämpfer zählten sie zu den Elitetruppen des gehörnten Kaisers. Im Gegenzug dienten sie ihrem Herren loyal bis zum Ende. Nichts ließ sie wanken, sie beteiligten sich nie an Intrigen oder ähnlichen Dingen. Sie machten bei jeder Schlacht reiche Beute, durften ihre Feinde verspeisen und mit ihnen spielen. Was brauchten die Rudel mehr.
Der Paladin lachte auf. In seiner Hand zerplatzte die Energiekugel und hüllte den Kämpfer in bläuliches Licht. Vermutlich handelte es sich um einen Zauber, der den Harnisch unempfindlich gegen Angriffe machen sollte.
Hinderlich, aber nicht unmöglich zu knacken, überlegte Jesir. Jeder hatte eine Schwachstelle, man musste sie nur finden.
Nachdem das Licht einem leichten Schimmern gewichen war, nahm der Paladin seinen Schild auf, hob das Schwert und schritt dem Wolfsmenschen entgegen. Der Tanz begann. Hiebe wurden ausgeteilt und abgewehrt. Es folgten Ausweichmanöver, Tritte und Schläge – Etikette waren hier fehl am Platz. Allein das Überleben musste gesichert werden. In wildem Taumel droschen die Feinde aufeinander ein, hin und wieder wurden Beschimpfungen und Beleidigungen ausgespien, die den Gegner moralisch schwächen sollten, aber sie bewirkten nichts. Zwei Profis der Schlacht waren am Werk.
Minuten vergingen, bald war eine ganze Stunde verstrichen und keiner der beiden wollte nachgeben. Jesir genoss es einem ebenbürtigen Gegner die Stirn bieten zu dürfen. In den Schlachten war er auf gut geschulte Ritter losgegangen, doch niemand hatte es bisher geschafft, ihn bis zur Erschöpfung zu fordern. Der Paladin hingegen kämpfte gleich einer ganzen Armee. Für Jesir eine echte Herausforderung, die sein Blut in Wallung brachte. Wenn er eines Tages sterben musste, wünschte er sich von einem Krieger wie diesem Paladin erschlagen zu werden. Aber noch war es nicht an der Zeit. Er wollte den Triumph des Bösen miterleben. Der dunkle Herrscher hatte bereits weite Teile des Landes erobert und es stellten sich lediglich noch drei Königreiche ihrem unausweichlichen Schicksal entgegen. Diese sollten aber bis zum nächsten Jahr vernichtet sein. Sie hatten kaum etwas an kampfbereiten Truppen zu bieten.
Hin und wieder versuchte der Paladin einen Zauber zu wirken, aber Jesir ließ es nicht zu. Trotzdem schaffte es der Wolfsmensch nicht, seinen Kontrahenten zu verwunden oder gar zu töten. Sir Richard erging es nicht anders. Klinge traf auf Klinge, prallte von Rüstungen ab und schrammte zuweilen den Stein der Burgmauer.
Mit der Zeit wich Jesirs Müdigkeit einem unbändigen Verlangen nach Blut. So erging es allen Halbwölfen, wenn sie sich erschöpft fühlten, aber dennoch kämpfen mussten. Es machte sie zu wahren Berserkern. Ein weiterer Grund, der sie zu den besten Kriegern der Dunkelheit machte.
Rasend schlug Jesir auf den Paladin ein. Seine Deckung vernachlässigte er vollends und setzte neben seinem Schwert auch Klauen und Fänge ein. Nun war alles erlaubt, was den Gegner vernichten konnte. Sir Richard wusste der Raserei nicht zu entkommen. Immer mehr trieb ihn die Bestie in die Enge. Zwar traf er den Wolfsmenschen ein- oder zweimal, aber es waren nur Fleischwunden, die nicht tief genug waren, ihn zu schwächen. Die Wunden des Paladins hingegen konnte keine Magie mehr verhindern. Blut befleckte die glänzende Rüstung, das so stolze Gesicht wirkte verzerrt.
In schierer Verzweiflung verlor Sir Richard jede Beherrschung. Er fürchtete nicht den Tod, denn der würde ihn nur Heim bringen, zur Heiligen Isabell. Nein, der Paladin fürchtete sich vor dem Versagen. Wenn er niedergestreckt wurde, gab es ein Ungeheuer mehr auf Erden, das er nicht hatte vernichten können, und das weiterhin mordend durch Dörfer und Städte ziehen würde.
Somit wäre er, der Verteidiger der Schwachen und Armen, ein Hüter der Ordnung und Beschützer des Lebens für den Tod von Unschuldigen verantwortlich. Isabell würde ihm die Einreise ins Sonnenreich verwehren, er wäre ein geächteter Geist. Vorbei der Traum vom Beisammensein mit den anderen Paladinen, die für ihre Überzeugung starben, den Gegner jedoch mit ins Grab nahmen.
Jesir amüsierten die verzweifelten Versuche seines Feindes, sich noch irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
Ein Biss ins pelzige Ohr des Wolfsmenschen und ein kleiner Kratzer auf dessen Nase waren alles, was Sir Richard noch erreichen konnte, bevor ihn Jesirs Fänge aus dem Leben rissen.
Der Kampf war beendet.
Das Böse hatte ein weiteres Mal gesiegt.
Zufrieden ließ Jesir sein lautestes Heulen erklingen, das weit hinunter ins Dorf getragen wurde und die dort lebenden Menschen vor Schreck erstarren ließen. Sie wussten, dass der Paladin, der sie hätte retten sollen, tot bei den anderen Kriegern in der alten Burg lag. Nun war alles verloren. Für alle Zeit.
Als Jesir zur Festung des Kaisers zurückkehrte und seinen Bericht abgab, wie er im Alleingang die kleine Burg Donnerfels eingenommen hatte, wurde er für seinen Mut und seine Taten geehrt. Eine Prozedur, an die er sich längst gewöhnt hatte. Doch das Geschenk für den Kaiser wollte Jesir ihm persönlich überreichen. Niemand durfte in die beiden Bündel schauen, die der Wolfsmensch mitgebracht hatte. Wer es versuchte, wurde mit einem warnenden Knurren davon abgehalten.
Jesir verlangte eine Audienz, und sie wurde ihm gewährt.
Keine der Leibwachen des Kaisers wagte, sich dem Wolfsmenschen in den Weg zu stellen. Man kannte ihn, man wusste, dass er gefährlich war. Vor allem dann, wenn er gereizt wurde.
Durch die Königshalle schritt der Wolfsmensch dem gigantischen Thron aus schwarzem Ebenholz entgegen. Schatten huschten zwischen den Säulen umher. Sie beobachteten Jesir, waren bereit, ihn sofort anzugreifen, sollte er den Herrscher der Dunkelheit gefährden. Diese verdammten Seelen eigneten sich hervorragend als Wächter, denn ihnen lag nichts am höfischen Spiel um mehr Macht. Sie standen unter dem Bann des Kaisers, der sie aus den Tiefen der Unterwelt heraufbeschworen hatte. Wenn er starb, mussten auch sie wieder in das unendliche Nichts eintauchen, in Ewigkeit zur Untätigkeit verurteilt. Langeweile hatte viele der Seelen in den Wahnsinn getrieben, aber selbst der verschwand nach einigen tausend Jahren. Übrig blieb dann nur ein trostloses Nichts, durch das sie schweben mussten.
Sah man sich dem Kaiser gegenüber, so wurde einem bewusst, dass die Wächterseelen nur dazu da waren, dem Herrscher Arbeit zu ersparen. Wenn es hart auf hart kam, konnte er sich sehr gut selbst verteidigen. Er trug eine schwere Rüstung aus schwarzem Metall, die über und über mit Stacheln bestückt war. An seiner Seite stand ein gigantisches Schwert, das wohl außer dem Kaiser selbst niemand zu führen vermochte.
Das Gesicht des Herrschers lag unter einer Totenkopfmaske verborgen. Keiner seiner Untertanen wusste, wie er aussah. Man erzählte sich, dass jeder, der in das wahre Antlitz des Kaisers blickte, auf der Stelle tot umfallen würde. Sein Kopf über der Maske war frei, da ihm der Kranz seiner großen und kleinen Hörner genügend Schutz bot.
„Du hast mir ein Geschenk mitgebracht, mein treuer Jesir“, erklang des Kaisers tiefe Stimme. Jedes seiner Worte wurde von einem Knurr- und einem Zischlaut begleitet. So sprach kein Wesen dieser Welt. Es musste sich um einen Abtrünnigen Dämonen handeln.
Aber Jesir wollte nicht weiter darüber nachdenken. Ihm war es gleich, was der Kaiser war. Er stand für das Chaos und ermöglichte den Kreaturen der Dunkelheit ein herrliches Leben. Einige Geheimnisse sollten da besser geheim bleiben.
„Ja, mein Meister“, erwiderte der Wolfsmensch, ohne dabei zu unterwürfig zu klingen. Kriechen wurde als Zeichen der Schwäche gewertet.
„Ich habe einen der mächtigsten Gegner des Kaiserreichs bezwungen.“
Jesir öffnete die Beutel. Zuerst den großen, aus dem eine mit Blut befleckte Rüstung scheppernd zu Boden fiel. Dann zog er an dem Seil des kleineren Beutels, steckte eine Klaue hinein und hielt schließlich den Kopf des Paladins in die Höhe.
„Rüstung, Schwert und Haupt eines Paladins, Meister. Es ist mir eine Ehre, Euch dies zu überreichen – und es war mir eine Freude, diesen Streiter für Euch zu erlegen.“
Beinahe glaubte Jesir eine Art bewunderndes Stöhnen vernommen zu haben, aber er war sich nicht sicher. Seinen Untergebenen durfte der Kaiser nur selten eine Art Bewunderung entgegenbringen. Das gesamte Reich, die Herrschaft unter seiner Führung - alles beruhte auf Furcht und Macht. Kam dieses Gebilde ins Wanken, siegte am Ende das Gute. Dunkelheit wurde viel zu leicht vom Licht verdrängt und musste sich ungleich stärker durchsetzen.
„Du hast mir und unserer Sache einen sehr guten Dienst erwiesen“, sagte der Kaiser ohne die Spur einer Emotion. „Damit du siehst, dass solche großen Taten von mir belohnt werden, soll heute ein Fest stattfinden. Dich soll man heute ehren und preisen. Und ich werde dich zum General meiner ersten Armee ernennen. Die Elitetruppen der Wölfe sollen meine siegreiche Streitmacht zum endgültigen Sieg über das Licht führen. Ohne einen Paladin steht uns nichts mehr im Weg.“
Er machte eine Pause und überlegte.
„Dies müsste sogar der letzte Paladin gewesen sein. Damit ist das Schicksal der Welt besiegelt. In spätestens einem halben Jahr wird sich die Sonne für immer verdunkeln. Geh nun, treuer Jesir. Genieße dein Fest und danach – vernichte die Ordnung in meinem Namen. Im Namen der Finsternis.“
Jesir nickte kurz und verließ den Königssaal. Insgeheim freute er sich gleich einem Welpen über die Ernennung zum General, doch durfte er diese Freude nicht zu deutlich werden lassen. Krieger nahmen solche Ehrungen hin, kosteten den Ruhm in anderer Weise aus.

.... (Fortsetzung: Paladin Teil 2)
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