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 Paladin Teil 2

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CromCruach
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Paladin Teil 2 Empty
BeitragThema: Paladin Teil 2   Paladin Teil 2 EmptyMo Jun 15, 2009 6:00 pm

Gegen Morgen erwachte Jesir durch die gellenden Alarmrufe. Er setzte sich schwerfällig auf und hielt seinen dröhnenden Schädel. Das Fest war herrlich gewesen. Alle hatten ihm zugejubelt, einige verehrten ihn nun sogar als Gott. Zudem gab es Fressen und Bier in rauen Mengen, ganz zu schweigen von dem lebendem Nachtisch: einer Gruppe Menschen, die er und die anderen durch die Festung gejagt und mit ihnen gespielt hatten.
So ließ es sich leben. Bald schon würde man die anderen Völker nur noch züchten, um etwas Zerstreuung zu finden. Jesir selbst durfte sich dann ganz sicher über ein großes Stück Jagdrevier mit eigener Burg freuen und sein Dasein genießen. Kriege würde es immer geben, also war auch hierfür gesorgt. Irgendwann stellte sich einer der Dämonenfürsten gegen den Kaiser oder die Kreaturen bekämpften sich gegenseitig. Kein Grund, sich vor dem Müßiggang zu fürchten. Wenn nichts geschah, konnte Jesir selbst dazu beitragen, dass der Kampf niemals ganz aufhörte.
„Alarm! Alarm! Der Erzmagier wurde ermordet! Schützt den Kaiser, ein Mörder befindet sich in der Festung! Alarm!“
Die Stimme eines wachhabenden Orks war es, die Jesir aus seinen Träumen gerissen hatte. Der Erzmagier. Tot? Wie hatte das passieren können? Nur ein Paladin war in der Lage, den höchsten Zauberer der Dunkelheit zu vernichten. Aber Jesir hatte doch den letzten von ihnen erledigt – oder gab es noch einen weiteren?
Er versuchte aufzustehen, doch ein Gefühl, das er nie gekannt hatte, ließ ihn wieder zu Boden sinken. Etwas stimmte nicht mit ihm, und es konnte nicht am Alkohol liegen. Tief in seinem Herzen verspürte er etwas, eine Art der Genugtuung, die falsch war. Der Wolf freute sich darüber, dass man diesen boshaften Magier, dessen Lebensinhalt allein darin bestand hatte, Unschuldige zu quälen, endlich seiner gerechten Strafe zugeführt hatte.
Gerecht.
Seit wann interessierte es Jesir, ob etwas gerecht war oder nicht? Scheinbar hatte ihm die Begegnung mit dem Paladin allerhand Unsinn in den Kopf gesetzt.
Mehr Gedanken konnte sich der Wolfsmensch nicht machen, denn Fäuste hämmerten wild gegen seine Tür. Stimmen von Ork-Wächtern wurden laut: „Jesir! Man hat dich gesehen als du aus den Gemächern des Erzmagiers geschlichen kamst. Niemand anderes als du kann der Mörder sein. Stell dich deiner Strafe, der Kaiser verlangt deinen Kopf!“
Sie mussten mit etlichen Kriegern vor der Tür seines Zimmers stehen. Vermutlich waren auch Schützen und Zauberer anwesend, denn sie wussten, dass Jesir sich nicht kampflos ergeben würde. Und sie wussten auch, dass er alles andere als leicht zu überwältigen war.
Jesir konnte sich nicht vorstellen, wie man ihn hatte beobachten wollen. Gleich nach dem Fest hatte er sich zur Ruhe gelegt und war sofort eingeschlafen. Außerdem machte es keinen Sinn, den Erzmagier zu beseitigen. Niemand hatte etwas davon, schon gar nicht der Wolfsmensch. Ihm waren Streitigkeiten um einen Posten gleichgültig. Zudem verfügte er über keinerlei magische Befähigung. Warum sollte er so etwas getan haben?
Mit Worten ließen sich die geifernden Kämpfer dort draußen nicht beruhigen. Sie wollten seinen Tod und würden alles daran setzen, dieses Ziel zu erreichen. Auch die Gunst des Kaisers hatte er verloren. Bei den Anhängern des Chaos gab es keine Gerichtsbarkeit, keine Verhandlungen. Töten oder getötet werden. Ein einfaches Prinzip, und dieses Prinzip funktionierte hervorragend.
Im Zimmer gab es außer der Tür nur noch das Fenster, das zur Steilwand des Felsens führte, auf der die Festung stand. Schon hämmerten die ersten Orkschultern gegen das schwere Holz. Jesir blieb nicht mehr viel Zeit zur Flucht, bald würden sie den Widerstand überwunden haben.
Zu den Fähigkeiten der Wölfe gehörte nicht allein ihr Kampfgeist sondern auch das Wissen, wann eine Schlacht als verloren galt. Dann war Rückzug besser als sich blind in den eigenen Tod zu stürzen.
Mit etwas Geschick konnte er die Felsen hinunter klettern und dann im Wald untertauchen. Seine Artgenossen würden ihn nicht verraten und versorgen konnte er sich selbst. Er brauchte einen klaren Kopf um die Geschehnisse ordnen zu können. Auf der einen Seite schien es die Fakten zu geben, dass man den Erzmagier getötet und Jesir angeblich gesehen hatte. Andererseits fehlte dem Wolfsmenschen jeglicher Grund, eine solche Tat zu begehen.
Wie dem auch sei, tot konnte er dem Geheimnis nicht mehr auf die Spur kommen.
Beherzt kletterte Jesir aus dem Fenster und begann den Abstieg. Schnell wie der Wind huschte er den Glatten Stein nach unten. Kleinste Vorsprünge reichten ihm schon, sicheren Halt zu finden. Am Boden angelangt hörte er noch, wie die Holztür seines Zimmers in tausend Stücke zerbrach und kurz darauf wildes Schreien, Rufen und Fluchen. Dann verschmolz der Wolf mit den Schatten und steuerte auf den Wald zu. Dort würde er nachdenken können.
Die Tage vergingen, und Jesir fühlte sich mit jedem Sonnenaufgang schlechter. Sie suchten ihn, er konnte ihren Schritte auf dem Waldboden hören, aber hier war sein Reich. Wenn er es nicht wollte, würde ihn niemand finden. Irgendwo mussten auch einige Wölfe stecken, die ebenfalls nach ihm Ausschau hielten. Natürlich wollten die nur mit ihm reden, ihn fragen, warum er so ausgerastet war.
Was sollte er ihnen antworten? Wie sehr er sich auch anstrengte, die Geschehnisse zu rekonstruieren, die zu einem heimtückischen Mord führen konnte, dem Wolf erschloss sich nichts Neues. Nein, er hatte sich nichts vorzuwerfen.
Hin und wieder spürte er Augen, die ihn beobachteten, und er nahm Witterung eines Artgenossen auf. Die Wölfe beobachteten ihn, wussten nicht, wie sie sich ihm nähern sollten. Vermutlich glaubte auch seine ganze Familie, dass er, Jesir, schuldig war. Er sollte sich ihnen stellen und mit einem Schamanen sprechen.
Etwas hielt ihn zurück, das er nicht einordnen konnte. Sobald Jesir daran dachte, die Wölfe auf eigene Faust aufzusuchen, zog sich sein Magen zusammen. Sein Fell sträubte sich, und er begann am ganzen Leib zu zittern.
Sorge bereitete ihm auch sein Gesundheitszustand. Wenn er Rehe oder Eichhörnchen fing, fraß er sie nicht an Ort und Stelle. Jesir bereitete das Fleisch zu und briet es über einem kleinen Feuer. Biss der Wolf in rohes Fleisch, wurde ihm übel. Das war nicht normal. Dann kam noch hinzu, dass er allmählich kahl wurde. Er glaubte auch, seine Zähne und die Schnauze würden sich zurückbilden.
Schlimmer als all das war aber, dass Jesir damit begonnen hatte, seine früheren Taten zu bereuen. Das Schlachten und Töten unter den Völkern, die Überfälle auf Dörfer und Städte, denen kein Bewohner je lebendig entkommen war. Jesir stellte sein ganzes Leben in Frage. Auch das Fortbestehen der Finsternis schien ihm nicht länger am Herzen zu liegen. Im Gegenteil, hin und wieder ertappte sich der Wolf bei dem Gedanken, dass es besser wäre, den gehörnten Kaiser und die anderen Kreaturen des Chaos aus der Welt zu vertreiben. Das Böse vernichten – so etwas wäre rechtschaffen.
Kurz nach solchen Einfällen musste sich Jesir regelmäßig übergeben.
In manchen Nächten erwachte er an einem ganz anderem Ort als dem, den er sich zum Schlafen ausgesucht hatte. Schreckliche Träume plagten ihn. Manchmal wanderte er in ihnen zu den umliegenden Dörfern, um die Bewohner vor den Mächten der Finsternis zu schützen. Er erschlug Orks, Dämonen und andere Bestien, rettete Kinder, die ihn mit ihren großen Augen ansahen und ihm dankten. Und in jedem dieser Träumer trug er eine glänzende Rüstung, in der sich das Sonnenlicht brach.
Einfach nur schrecklich.
Erwachte Jesir mit diesem eigenartigen Gefühl der Güte in seinem Herzen, wollte er sich so liebend gern in sein eigenes Schwert stürzen, um das aufkeimende Gute in sich zu vertreiben.
Über zwei Monate waren verstrichen, bis sich Jesir dazu entschloss, endlich einen Schamanen der Wolfsmenschen aufzusuchen. Also versuchte er mit seiner Nase den richtigen Weg zu finden. Keine leichte Sache, denn der überaus feine Geruchssinn verließ ihn mehr und mehr. Auch auf sein Gehör konnte sich Jesir nicht mehr ganz verlassen.
Mit beträchtlicher Mühe fand er das Rudel der Kurzschwänze und schritt hoch erhobenen Hauptes auf die Wachwölfe zu, die an der Höhle postiert waren. Sie sahen ihn mit einer Mischung aus Abscheu und höchster Alarmbereitschaft an. Einer der beiden jungen Wölfe richtete seine Hellebarde auf Jesir, während sich ihm der andere, wesentlich ältere Wolfsmensch, behutsam näherte.
„Jesir?“ fragte der ältere Wächter. „Bist du Jesir, der Feind des Kaisers?“
Jesir verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. So eine Unverschämtheit, dachte er. Wenn ich nicht auf die Hilfe des Rudels angewiesen wäre, würde er dem alten Wolf die Kehle aufreißen. Statt dessen sagte er so ruhig, wie es ihm nur möglich war: „Ich bin Jesir, Bezwinger des letzten Paladins und treuer Krieger des gehörnten Kaisers.“
Die Wächter sahen einander an, ohne eine Mine zu verziehen. Wieder war es der Alte, der sprach: „Da wir Wölfe einen aus unseren Reihen niemals verraten, lassen wir dich eintreten. Unser Anführer ist der große Schamane Sorikos. Geh zu ihm und bitte, gehört zu werden.“
Mit gebleckten Zähnen fügte der alte Wächter hinzu: „Und wenn du Unsinn machst, werde ich dir persönlich das restliche Fell über die Ohren ziehen – auch wenn nicht mehr viel davon übrig ist. Jetzt geh!“
Zu gerne hätte Jesir den beiden Wächtern gezeigt, wer hier das Alpha-Männchen war, aber er war auf die Gnade des Rudels angewiesen. Zum Glück wussten sich Wölfe dann unterzuordnen, wenn es strategisch klug erschien. Ob es ihm gefiel oder nicht, er konnte nicht auf seine höhere Position beharren, da man sie ihm wohl auch innerhalb der Wolfsrudel aberkannt hatte.
Mit gesenktem Haupt betrat Jesir die Höhle. Jeder Wolfsmensch, dem er begegnete, starrte ihn stumm an, aber niemand sagte etwas zu ihm. Nur ein vorlauter Welpe fragte seine Mutter: „Ist das der Verräter?“
Das Weibchen schwieg, piekste aber ihrem Spross in unmissverständlicher Geste mit einer Kralle in die Nase.
Inmitten eines riesigen Höhlenabschnitts, in dem mehrere Bauten untergebracht waren, lag genau in der Mitte der Bau des Häuptlings. Um das kuppelartige Gebäude lagen hunderte verstreuter Knochen und vor dem Eingang standen mehrere Pfähle mit aufgespießten Schädeln. Über der Tür war das Symbol eines feuerspeienden Wolfskopf eingraviert worden, über dessen Haupt ein voller Mond schwebte.
Weitere Wachen waren im Inneren der Höhle nicht notwendig, die Wölfe standen zueinander und würden jeden Angreifer sofort niedermachen. Gegen ein ganzes Rudel konnte niemand allein ankommen, nicht einmal Jesir.
Im Innern des Hauptbaus wurde Jesir kühl empfangen. Man habe so einige Dinge über ihn gehört und einige des Rudels hätten sogar selbst mitangesehen, wie er Kreaturen der Finsternis gnadenlos abgeschlachtet hätte. Der Wolfsmensch hörte sich die Anschuldigungen an, die ihm vom Schamanen vorgeworfen wurden. Darauf erwidern konnte er nicht viel, nur den Umstand, dass er sich an all diese Taten nicht erinnerte.
„Hm“, gab der Schamane knapp zur Antwort und musterte Jesir von Kopf bis Fuß. „Du siehst schrecklich aus, Bruder. Wenn ich es mir recht überlege, dann bleibt für dein Verhalten nur eine Erklärung: Du wurdest verflucht.“
Diese Diagnose traf Jesir wie der Hammer eines Zwergenberserkers. Wie sollte das möglich sein? Er hatte vor der Veränderung mit keinem Magier gekämpft, und es gab seines Wissens nach auch keine Hexe, die ihm Schlechtes wünschte.
Der Schamane setzte sich auf seinen kleinen Thron und dachte nach. Dann fragte er: „Als du gegen diesen Paladin gekämpft hast ... sag, Bruder Jesir, wurdest du von ihm gebissen oder gekratzt?“
Jesir erinnerte sich an das Duell so genau als sei es erst gestern gewesen. Eifrig nickte er: „Ja, tatsächlich. Aber die Wunden waren lächerlich und sind auch sofort wieder verheilt. Warum fragst du, Schamane? Was soll das schon zu bedeuten haben?“
„Nun ... es ist nur eine Theorie, aber ...“
Es fiel dem Schamanen sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden. Doch schließlich überwand er sich: „Wenn einer der unsrigen ein Wesen beißt, das im Zeichen der Ordnung geboren wurde, wird es zu einem Werwolf. Ich weiß, es muss sich abenteuerlich anhören, aber ... vielleicht funktioniert dies in beide Richtungen.“
Jesir konnte nicht anders als laut aufzulachen: „Was soll das werden? Willst du mir sagen ich sei ein ... ein ... Wer-Paladin? Das ist lächerlich.“
„Die Anzeichen sprechen für sich. Wahrscheinlich verwandelst du dich an Tagen, auf die eine Vollmondnacht folgt, in einen Paladin und kämpfst verbissen für das Gute. Aber diese Veränderung wird dich mehr und mehr beherrschen. Du hast selbst gesagt, dass dich plötzlich Gefühle wie Mitleid und Gerechtigkeit überkommen, die von Tag zu Tag stärker werden. Vermutlich wirst du am Ende zu einem richtigen Paladin und bist fortan gezwungen, deine Brüder und Schwestern zu jagen und zu vernichten.“
Der Wolfsmensch fuhr auf und schlug heftig mit der Faust gegen eine der Holzsäulen, die das Dach des Hauptbaus schützten. Er senkte seinen Kopf und ließ seine Zähne sehen.
„Das kann nicht sein“, knurrte Jesir. „Das ist nicht gerecht.“
„Siehst du, Bruder des Rudels, du sehnst dich sogar schon nach Gerechtigkeit. Jesir, du hast dem Chaos immer gute Dienste erwiesen. Nur aus diesem Grund lasse ich dich jetzt ziehen. Geh und kehre niemals wieder – wir werden dich sonst töten müssen. Mag sein, dass wir uns einmal in einem Kampf gegenüberstehen werden, aber dann wirst du nicht mehr der Jesir sein, der dem gehörnten Kaiser zur Seite stand. Dann wirst du der Paladin Jesir sein, der unsere Art töten muss. Nun geh. Geh fort, weit fort.“
Jesir sträubte sich, den Worten des Schamanen Glauben zu schenken. Dennoch verließ er den Bau und verschwand wieder im Wald. Tief in seiner dunklen Seele, die immer heller zu werden schien, wusste der Wolfsmensch, dass es der Wahrheit entsprach. Er wusste, dass sich sein Körper und seine Gesinnung veränderten und er zu dem wurde, was er am meisten hasste. Einem Paladin.
In den kommenden Jahren wurde die Armee des Chaos aus weiten Teilen des Landes vertrieben. Das Erscheinen eines neuen Paladin, der seltsamer Weise sämtliche Schwächen des Feindes aus erster Hand zu kennen schien, gab den Völkern der Ordnung neuen Mut. Dieser Streiter für Gerechtigkeit und das Gute hatte hunderte Kreaturen erschlagen, die im Namen des Schlechten für den gehörnten Kaiser kämpften. Es hieß, er würde sogar einem Duell mit dem dunklen Kaiser selbst entgegensehen.
Man kannte ihn unter dem Namen Sir Jesir von den Wolfshügeln.
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