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 Ein Einzelfall (Teil 2)

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CromCruach
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BeitragThema: Ein Einzelfall (Teil 2)   Ein Einzelfall (Teil 2) EmptyDo Jan 03, 2008 2:06 pm

Sie atmete nicht. In Anbetracht ihrer Leblosigkeit nicht weiter bedenklich. Trotzdem hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen ihr Brustkorb. Auf und ab, auf und ab. Vermutlich versuchte der Dämon in ihrem Innern eine Art Leben zu simulieren, nur um sich selbst zu täuschen. Ihm musste die Situation ja furchtbar peinlich sein. Da hatte er wohl Jahrhunderte lang auf einen geeigneten Wirtskörper gewartet und hüpft dann ungestüm in eine Untote. Bei seinen Teufelskollegen brauchte der sich nicht mehr blicken lassen.
„Warum haben Sie keinen Exorzisten bestellt?“, fragte ich ohne viel darüber nachzudenken.
Sofort bedachte mich von Liechen mit einem finsteren Blick und brummte: „Ja, natürlich, der kommt dann mit seinen Kruzifixen, Weihwasserampullen und Bibelsprüchen, verwandelt das Fleisch meiner Geliebten kurzerhand in Staub und schmeißt den freigelegten Dämon einfach in den Müll. Ich zweifele langsam an Ihrer Intelligenz, Herr Keller-Maus.“
Nun war es an mir, meinem Auftraggeber mit einem beträchtlichen Maß an Gereiztheit zu begegnen: „Ich bat Sie doch, mich beim Vornamen zu nennen, Herrgott noch mal!“
Die Erwähnung des himmlischen Vaters schmeckte dem Blutsauger ganz und gar nicht. Zugegeben, ich hatte ein wenig die Beherrschung verloren. Meinungsverschiedenheiten waren eine Sache, die Beleidigung derjenigen Person, die sozusagen für meine nächste Mietzahlung aufkommen würde, stand auf einem ganz anderen Blatt. Unverzeihlich für einen Profi.
„Vermeiden Sie bitte solche unflätigen Worte in meinem Haus“, sagte der Herzog und rümpfte dabei beleidigt die Nase. „Auch wir Kinder der Nacht haben unseren Stolz.“
Vorsichtig näherte ich mich dem Bett. Schlafende Dämonen soll man bekanntlich nicht wecken. Ein deftiger Exorzismus zählte zu den schmutzigsten, aber auch leichtesten Aufgaben. Immer wieder die gleichen Sprüche und Rituale und schon platzte der böse Geist aus dem Körper heraus. Manche Dämonen kämpften nach dem Rauswurf mit mir, meistens verzogen sie sich aber in ihre Hölle.
Angst, dass sie mit meiner Seele verschmelzen könnten, hatte ich nicht. Brust und Rücken waren mit etlichen Schutzsymbolen sämtlicher Religionen tätowiert. Ich war ein wandelndes Bollwerk gegenüber teuflischer Macht. Früher hatte ich Talismane mit mir herumgeschleppt, doch all die Ketten und Ringe behinderten einen bei der Arbeit. Rapper konnten sich diesen Tand leisten, die mussten ja auch nicht gegen Ungeheuer antreten. Vielleicht einmal abgesehen von nervtötenden Groupies.
Was sollte ich nur tun? Die Situation verlangte nach einer ganz besonderen Strategie. Bei Dämonenaustreibungen stellten christliche Riten die beste Möglichkeit dar, ein schnelles und relativ sauberes Ergebnis zu erzielen. Tja, in diesem Fall konnte ich das getrost vergessen.
Da mir Name und Stellung des Höllenwesens unbekannt waren, versuchte ich zuerst einen einfachen Befehl. Vielleicht stand mir ja das pure Glück bei und es handelte sich um einen Frischling, ein Dämonenjunges. Sie verfügten nicht über die Erfahrung der Alten und gerieten rasch aus dem Gleichgewicht, wenn man sie reizte. Was hatte ich schon zu verlieren?
„Dämon“, rief ich voller Inbrunst. „Verlasse sofort den Körper dieser ... dieser untoten Frau! Ich befehle es dir im Namen der sieben Höllen!“
Marie richtete sich auf, starrte mich an. Aber ihr Blick blieb leer. Dann grollte sie in mehreren Tonlagen: „Diese Stimme. Wer wagt es, mich zu reizen? Ich kenne diese Stimme.“
Etwas Rötliches blitzte in den Pupillen der Vampirin auf. Der Dämon übernahm die vollständige Kontrolle über seinen Wirt und ein feingliedriger, linker Zeigefinger deutete auf mich.
„Claudius?“, fragte sie - es oder er. „Bist du das? Ach du Scheiße! Dachte nicht, dass du einmal auf die andere Seite wechseln würdest. Ich bin es, Muno-Ak. Erinnerst du dich an Afrika?“
Und ob ich mich erinnerte. Muno-Ak zählte zu den gefährlichsten Dämonen, die der heiße Kontinent zu bieten hatte. Ein echter Dreckskerl, immer auf der Suche nach unschuldigen Seelen, die er quälen und dann fressen konnte. Unter den Menschenbesetzern war er der unbestrittene König. Fies, unaufhaltsam und gierig.
„Wo bin ich hier denn eigentlich gelandet?“, fragte Muno-Ak mit seiner Stimme aus dem Mund der Frau. „Dieser Körper ist der letzte Dreck!“
Ich konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Er wusste es also noch gar nicht. Es war mir ein Vergnügen, den Dämon aufzuklären: „Du bist in einen Vampir gefahren.“
„Nein, das kann nicht sein. Im Ernst? Ich mache mich ja lächerlich.“
„Ist dir denn nichts aufgefallen?“
„Nun ja, ich fand es schon eigenartig, dass mir keine Seele Widerstand leistete, aber wer denkt schon daran. Hey, Dämonenkiller, hol mich bloß hier raus. Dann vergesse ich unsere erste Begegnung und gewähre dir auch einen raschen Tod!“
Das machte mich stutzig. Dämonen kamen und gingen, wie es ihnen beliebte. Muno-Ak war kein Anfänger, warum sollte er mich benötigen, um ein unbequemes Gefäß zu verlassen?
„Bevor du dämliche Fragen stellst“, sagte er/sie, „ich hab' gerade versucht, den Körper zu verlassen, aber ich sitze fest. Dämonen brauchen Seelen, die sie wieder freigeben können. Ohne geht das nicht. Der Leib hält mich gefangen, weil es unnatürlich ist, ohne Seele durch die Gegend zu laufen. Verdammtes Vampirpack, sind von Menschen kaum noch zu unterscheiden.“
Gier machte immer schon blind. Es gab Weisheiten, die bestätigten sich wieder und wieder. Muno-Ak musste derart versessen auf eine menschliche Seele gewesen sein, dass er sich Hals über Kopf auf das erste menschenähnliche Wesen gestürzt hatte, dem er begegnet war. Ich sollte ihn in seiner Schmach sitzen lassen. Sei es drum, mein Ehrenkodex ließ es nicht zu, einen angenommenen Auftrag nicht auszuführen.
„Wenn ich einen unchristlichen Pseudo-Exorzimus durchführe, wirst du dann ohne Gegenwehr den Leib des Vampirs verlassen?“
Das Gesicht der Frau verzog sich zu einer häßlichen Fratze: „Natürlich nicht. Du bist einer meiner Erzfeinde. Auch wenn du mir hilfst, habe ich doch noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen. So leicht wirst du mich nicht los.“
Typisches Dämonengehabe. Sie bissen stets in die Hand, die sie fütterte. Wie hielt es Satan mit all diesen Heuchlern nur aus?
Plötzlich stürzte Herzog von Liechen mit ausgefahrenen Krallen und gefletschten Zähnen an mir vorbei: „Verlasse meine geliebte Marie, du Hund! Ich verlange Satisfaktion. Zeig dich und kämpfe wie ein Wesen der Dunkelheit!“
Es kostete mich sehr viel Kraft den wütenden Vampir zurückzuhalten. Immer wieder versuchte er sich aus meinem Griff zu befreien. Vergebens, es gab da den einen oder anderen Trick, dem selbst Bestien mit übernatürlicher Kraft nichts entgegensetzen konnten. Zugegeben, die Tätowierungen verliehen auch mir besondere Stärke, solange es sich nicht um normale Menschen handelte.
Der Vampir kreischte und zeterte: „Lassen Sie mich los, ich reiße den verdammten Teufel in Stücke!“
„Bleiben Sie ruhig. Sie würden nur ihre Marie verletzen. In einem fremden Körper sind Dämonen an sich unverwundbar. Man muss sie zuerst isolieren, wieder in die materielle Welt befördern.“
Einen kurzen Augenblick zögerte ich und fuhr dann mit sarkastischem Lächeln fort: „Wenn ich ihn verbannt habe, dürfen Sie mit ihm spielen. Versprochen. Auf Ihren Wunsch hin halte ich mich aus einem Kampf heraus.“
Muno-Ak hielt abwehrend Maries Arme nach vorne. Er spuckte grünen Schleim auf den Anzug des Herzogs und fauchte.
„Halte mir den Spitzzahn vom Leib. Wenn der diesen Körper zerstört, reißt mich ein Strudel direkt in den Himmel. Da will ich ganz bestimmt nicht hin!“
Das Geschwätz des Dämonen kümmerte mich nicht die Bohne. Mir ging es nicht um sein Seelenunheil, sondern darum, einen erteilten Auftrag sauber auszuführen. Die Frage war nur: Wie?
Herkömmliche Methoden standen nicht zur Debatte, Vampire reagierten äußerst allergisch auf Gebete und Bannsprüche. Ich konnte der Befallenen weder ein Kruzifix auf die Brust legen, noch sie mit Weihwasser bespritzen. Nein, in diesem besonderen Fall hieß es, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.
Aber zum Glück hatte sich Herzog von Liechen für mich entschieden, nicht einen dieser Grünlinge angerufen. Nicht auszudenken, was ein Anfänger angerichtet hätte, sowohl mit der besessenen Marie, als auch mit dem guten Ruf unserer Branche. Yuppies taugten einfach nichts.
Von Liechen tobte noch immer gleich einem untoten Stier. Ich musste ihn aus dem Zimmer schaffen, um meine Kräfte und Nerven zu schonen. Dann kam sie. Unverhofft, aber im rechten Augenblick: die rettende Idee. Mein Vorhaben war durchaus gewagt, aber in einen sicheren Weg gab es nicht.
„Hören Sie“, schrie ich meinem Auftraggeber entgegen. Ständig begann er damit, sich in eine gigantische Fledermaus oder einen aufrecht gehenden Wolf zu verwandeln, ließ es aber doch wieder sein. Er war außer sich vor ohnmächtiger Wut. Wie gerne hätte er seiner Geliebten Muno-Ak inklusive ihrem Herzen aus der Brust gerissen. Andererseits wusste er, dass dies den sicheren Tod für Marie bedeuten würde. Auch an mir konnte er seinen Zorn nicht auslassen, da er in mir seine letzte Chance sah.
„Beruhigen Sie sich doch, Herzog. Ich brauche Ihre Hilfe, wenn wir Marie retten wollen. Als Vampir von Welt kennen Sie sich doch gewiss mit schwarzer Magie aus?“
Abrupt hielt der Wüterich inne und betrachtete mich etwas irritiert. In sein Ohr flüsterte ich Dinge, die nur er zu wissen brauchte und es wäre gelogen zu behaupten, dass mich die Neugierde des Dämonen nicht amüsiert hätte. Vor allen Dingen ab dem Zeitpunkt, als mein Vorschlag ein verstehendes Lächeln auf von Liechens schmale Lippen zauberte.
„Hey, was redet ihr da? Veralbert ihr mich etwa? Ich warne euch. Immerhin bin ich noch immer ein mächtiger Dämon.“
„Nur etwas unpässlich zur Zeit und ein wenig steif, nicht wahr, Muno?“, entfloh es mir voll galliger Schadenfreude. Muno-Ak war momentan so gefährlich wie ein Werwolfbaby mit Reizhusten. Die Sache würde anders aussehen, entkäme er erst einmal seinem Gefängnis. Bis dahin erfreute ich mich daran, ihn mit Spott und Hohn zu piesacken. All das hatte natürlich einen tieferen Sinn. Er musste richtig wütend werden, sollte der Plan funktionieren. Jeder gute Dämonenjäger weiß, dass Dämonen in Rage unüberlegte Dinge taten und somit wesentlich leichter zu beseitigen waren.
Etwa eine halbe Stunde später standen die notwendigen Utensilien bereit und warteten sehnsüchtig darauf, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Drei schwarze Kerzen, ein kleiner Bottich mit Blut gefüllt - ich wollte gar nicht wissen, von wem oder was es stammte - und ein goldenes Behältnis, aus dem Schwefeldampf entströmte.
Erstaunlich, ging es mir durch den Kopf. Vampire sind besser ausgestattet als mancher Schwarzmagier.
„Erhöre mich, oh Mutter des Grabes“, begann ich mit der Beschwörung.
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